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Erster!
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Bosseln kann jeder - SV Grossensee
Februar 2003
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Edel, wie edel!
Gebosselt wird mit einer kleinen Holzkugel (10,5-11 cm
Durchmesser), also auch für zarte Frauenhände noch zu
fassen. Fakt ist: Kannst Du kegeln, kannst Du auch bosseln!
In Friesland oder Ostfriesland ist Bosseln ein ernstzu-
nehmender Leistungssport. Schließlich können bis zu 10km
und mehr zurückgelegt werden. Nicht jedoch bei Trunkenheit
auf der Strecke, wie es bei den Nichtprofis mal der Fall sein
kann. Was aber was macht den erfolgreichen Bossler aus?
Wurftechnik, Kraft, Konzentration und Erfahrung spielen
eine große Rolle. Letztendlich zählt aber in erster Linie der
Spaß - beim Werfer als auch beim Zuschauer.
Aus irgendwelchen Bosselregeln:
1. Dummes Zeug reden, ist ausdrücklich gestattet!
Je voller, je doller!
Und wo wir schon mal dabei sind ...
2. Es gilt, möglichst viele Gründe zu erfinden, um einen Schnaps zu trinken.
Mindestens aber an jeder Kreuzung, oder Gabelung.
3. Zwei Mannschaften (jeweils 5-6 Personen) spielen gegeneinander.
Die zu Beginn festgelegte Reihenfolge der Werfer darf nicht verändert
werden. Tip: Jeder merke sich seinen Vordermann und das so lang er kann.
4. Gebosselt wird auf einer guten Nebenstraße (7-12 km lang).
Evtl. Straßenverkehr bitte beachten. Kreuzungen und Kurven
sollte durch einen Bossler aus der Gruppe absichern. Für den
Werfer ist die Beschaffenheit der Straße wichtig. Weiß er, welches
Gefälle sie hat, kann er sich darauf einstellen und dement-
sprechend werfen. Interessant kann z.B. auch eine Spurrille sein,
in der er werfen kann. Start-/Ziellinie (Kreidestrich) festlegen.
Der Umkehrpunkt wird unterwegs bestimmt.
5. Noch ein, zwei Worte zur Ausrüstung
Eine Bosselkugel (Kunststoff, Gummi oder Holz) je Mannschaft.
Ein Bollerwagen (mit Inhalt für's leibliche Wohl) ist mit von der Partie.
Ein Krabber oder Kescher zum Suchen und Herauskeschen
der Kugel aus Gräben macht Sinn.
Lappen zum Trocken- oder Sauberreiben der Bosselkugel ist gut.
6. Ziel beim Bosseln ist es, eine fest vorgeschriebene Strecke,
mit möglichst wenig Würfen zu überwinden.
7. Per Münze wird die beginnende Manschaft ausgelost.
Der erste Werfer der Mannschaft wirft die Kugel und gibt
damit den ersten Wurf vor.
Dann wirft der erste Spieler der zweiten Mannschaft.
Hilfreich ist es einen Bahnwieser (=platt, bedeutet Bahnanweiser)
mit dem Krabber etwa 100m entfernt zu positionieren. Wir haben da unseren Werner!
Kommen wir eben noch einmal zurück auf Regel Nr. 2:
Es gilt, möglichst viele Gründe zu erfinden, um einen Schnaps zu trinken.
8. Ziel: Beim Boßeln ist das Ziel, eine fest vorgeschriebene
Strecke, mit möglichst wenig Würfen zu überwinden. Also
möglichst immer versuchen, den vorne liegenden Bossel
der gegenerischen Mannschaft zu überholen. Damit klar
ersichtlich ist, ob dies gelungen ist, muss der vorne
liegende Bossel auf der Straße liegen bleiben. Also:
Bossel erst aufnehmen, wenn der Gegner geworfen hat
und man selbst an der Reihe ist.
Hier sehen wir zwei echt dolle Wurftechniken...
Hüftwurf, schräg aus dem Horizontalflug heraus geworfen !!!
Ganz schön gepfefferter Zielwurf aus dem gehopsten Schlusssprung.
Es gibt aber auch noch folgende Wurfarten
liek ut Hand(= gerade aus der Hand, bei Straßen
ohne Gefälle anzuwenden), över d´ Finger(= Der Unterarm
wird zum Körper hin gedreht; die Kugel wird über den kleinen
Finger geworfen, wodurch die Kugel einen Linksdrall erhält
(bei Rechtshändern) und över d´ Duum (= Der Unterarm
wird vom Körper weggedreht; die Kugel wird über den Daumen
geworfen, wodurch die Kugel einen Rechtsdrall erhält
(bei Rechtshändern).
Noch ein Praxistipp, bevor es los geht: Im rechten Winkel bosseln geht
nicht. Wenn an Kreuzungen abgebogen werden soll, Kugeln aufnehmen und
im selben Abstand (Distanz abschreiten) nach der Abbiegung wieder hinlegen.
3. Die Wertung: Beim Bosseln kann einfach nach absolvierten
Würfen, die jede Mannschaft benötigte, um eine bestimmte
Strecke zu durchlaufen, gewertet werden. Bei Gleichstand
gewinnt die Mannschaft mit der größten Weite im Schlusswurf.
Eine weitere Wertung wäre nach Schöten. Dies ist komplizierter
aber wettkampfnäher. Dabei wird ein Schöt mit der durchschnitt-
lichen Weite eines Wurfes von 120m gewertet. Dies nur am Rande.
Eine weitere Variante wäre diese: Wird der gegenerische Bossel
nicht eingeholt (und nur dann) erhält die gegnerische Mannschaft
einen Schöt = Punkt. Sieger ist, wer am Ende einer festgelegten
Strecke die meisten Schöt hat.
9. Gemeckert wird nicht, niemand versaut einen Wurf absichtlich.
Lydia, eine trainierte Werferin, rastert die Wurfstrecke mit
ihren Adleraugen. Im weiteren Schritt bespricht sie sich mit
einem Mannschaftskollegen. Die Kugel (etwa 800g) lastet
schwer in ihrer rechten Hand. Die Gegner sind gar nicht
mal so schlecht. Wird Lydia ihr Team noch einmal rausreissen?
Kein leichtes Unterfangen. Zur Ablenkung vielleicht erst einmal
einen Schnaps und eine kleine Geschichte, die natürlich vom
handelt.
Klootschießen
"Ein Kloot ist eine kleine Holzkugel mit Bleifüllung, knapp
ein Pfund schwer, und niemand der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts konnte diese Kugel weiter werfen als der Bauer Berend
Onken aus dem Dorfe Heglitz bei Wittmund. Wenn Onken warf, strömten
die Menschen aus ganz Ostfriesland herbei, 10.000, ja 15.000 waren
keine Seltenheit. "Kanone" wurde Berend gerufen, sein
eigentlicher Ehrenname aber lautete "Bernd Klootscheeter".
Im Winter 1883 trat das Idol der Ostfriesen leihweise in jeverländische
Dienste, denn nur mit Onken in ihren Reihen glaubten die Jeverländer
einen Klootschießer-Vergleich mit Butjadingen bestehen zu können. Er
warf, was seine starken Bauernarme hergaben, aber diesmal war das
Glück gegen ihn. Beim letzten Wurf der Butjadinger landete der Kloot
auf einer blanken Eisfläche, bekam dort erst richtig Fahrt und rollte
und rollte ("trüllen" sagen die Klootschießer) in schier unerreichbare Ferne.
Bernd Klootscheeter versuchte es trotzdem, nahm mächtig Anlauf, warf
gewaltig wie nie zuvor, doch kam die Kugel in tiefem Schnee auf, wo sie
nicht trüllte, sondern wie erstorben steckenblieb - platsch und aus!
Vor Wut biß Onken in den Kloot, und alte Chroniken wissen zu berichten,
daß seine Zähne tief in Holz und Blei gedrungen seien. Jedenfalls wurde
diese Kugel noch Jahrzehnte in Haddien bei Jever aufbewahrt, eine Ikone
des Klootschießens." Quelle: Die Zeit, 13.5. 1988, S. 73
Bosseln ist Spitze!
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