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Brockenwanderung 2004 !

Harz 4 - Ein rückwärtiger Bericht


Hindernis

Morgenstund hat Gold im Mund, der frühe Vogel pickt das Korn, ein Indianer kennt keinen
Schmerz und - wer hätt's gedacht, im Frühtau zu Berge.Auf freier Wildbahn schon so viel los!
Das ist es doch besser, die Nachhut zu bilden. Der Gang zum Brocken erfolgt in diesem
Jahr mal rückwärts. Das hat viel Vorteile. Aber auch Nachteile, wie man hier sieht. Ein
Geländer stellt sich in den Weg und versucht hartnäckig die zwei Wanderinnen aufzuhalten.
Die Hand bereits auf das Hindernis gelegt, werden die beiden schon ein, zwei Sekunden später
mit einem undamenhaften Hopps nach oben und einer gekurvten Abschlussrätsche nach hinten,
dem Geländer zeigen, was eine Rückharke ist.


Rückwärtswandern hat den
Vorteil, dass Gefahren immer
erst im Nachhinein wahrge-
nommen werden und so den
Aha-Moment in den Vordergrund
spielen. Aha, da war
also ein Baum oder Aha, das
einladende Rauschen hat
erzeugt also die Ilse, eine
hinreisssende Gebirgsbächin,

Gut, dass die Damen nicht der netten
Einladung gefolgt sind.
Sowas macht nur naß, nicht
in den Kniekehlen ...



Käfer und anderes Kleingetier hat beim Rückwärtswandern ofmals leider das Nachsehen und
wird vom vorsichtigen aber doch auf's Geradewohl gesetzen Schritt aufs Böseste zermalmt.











Auch das Baumsterben wird folgerichtig erst später, zu spät,
wahrgenommen. Denn im nachhinein, können wir am großen
Sterben ja doch nix ändern - oder. Ein Nadelwald ohne Nadeln
ist wie Rückwärtswandern ohne Sturz. Nun ja, hier fallen
wir jedenfalls auf ein weiches Nadelkissen.


Der Brocken ist Brocken für Brocken schnell im Rückwärtsgang erreicht . Schon zur
mittäglichen Tageszeit erwischen wir einen herrlichen, weltweiten Rundum-Blueskyblick.

.









Der kann doch wirklich keinem vorenthalten werden, ist
er doch so selten - zumindest am 3. Oktober, da hat man
in anderen Jahren ja schon die Hand vor Augen nicht
gesehen, so neblig wars. Ja, toll, da kann die Brille
abgenommen werden und ruhig noch mehr Blick in die
Ferne geworfen werden. Wo liegt eigentlich Motala.
Und Entenhausen - muß doch auch zu sehen sein? Welch
Fernsicht, welch Weitsicht. Kurzsicht ade!






Immer wieder kommt es vor, dass arglose Wanderinnen
als Kopfstützen zweckentfremdet werden. Hier das
klassische Beispiel mit einem ganz Großen. Das ist
doch mal ein Stein des Anstosses. Hier ist endlich
Zeit für einen Heine-Text aus "Verkehrte Welt":
    Das ist ja die verkehrte Welt,
    Wir gehen auf den Köpfen!
    Die Jäger werden dutzendweis'
    Erschossen von den Schnepfen


Ein Seelenverwandter!?
Kurz wird überlegt, ob es 2005 "auf den Köpfen" gen
Brocken gehen soll. Ein einsetzender Kopfschmerz hält
uns davon ab, dem Gedanken eine Chance zu geben.










Wir tackern uns einen unrunden Stein an die Schuh. Das
sind rechte Plateausohlen, noch dazu leicht angeschrägt.
Wir halten uns an den dicken Armen und schauen zurück.










Zwei Vorwärtsläufer, die gut gefüllt aus dem
nahen Restaurant in unsere Richtung stolpern,
versuchen uns glaubhaft zu machen, sie hätten
ihre Hände im Tal gelassen. So können sie uns
nicht die Hand zum Gruße reichen und verduften
talwärts ins Café, um nach großen Tortenstücken
Ausschau zu halten, die es dortigen Cafe geben soll.


Jetzt wird's aber mal Zeit für ein leckeres Rezept aus der Region.
>>>    Harzer Roller, mariniert.








Wir bleiben noch einen Moment und beobachten, wie ein
Ufo ungeschickt vor dem Brockenmuseum landet und
eine Meute Außerirdischer ausspuckt. Die Gruppe
feilscht lautstark und auf sächsisch mit dem
schon betagten Museumswärter, dem jegliche Anmache
Auswärtiger zuwider ist, um einen günstigen Gruppen-
tarif. Leider können sie sich nicht durchsetzen und
verwandeln den Alten in eine Leberwurststulle.











Für uns heißt es Abschied nehmen vom dicken Brocken.
Ich schaue in meinen Rückspiegel, den ich aus meinem
Reiserucksack ziehe, und erblicke einen feingeschwungenen
Plattenweg, der auf ein baldiges Ende weist. Juchee, denke
ich, mal nix verraten. Dann sind wir ja schon bald wieder
zurück im kleinen Örtchen Ilsenburg.










Auf Frau K. ohne Hund läuft sich bedauerlicherwiese
heftigst den Hinterkopf an einer Hinweistafel ein.
Sie deutet den Wink mit der Tafel als Glücksbotschaft -
auch wenn ihr ein Keks lieber gewesen wäre - und rechnet
nach 1000 m mit Eintreffen des Endzieles. Wahrscheinlich
war der Aufprall doch stärker als gedacht!? Obwohl,
Frau K. ohne Hund hat einen harten Schädel!













Ich versuche den Sicherheitsabstand zwischen Frau K
ohne Hund und mir aus unerfindlichen Gründen zu
vergrößern. Aber noch ist nicht dieses Tages
Abend. Der Tag ist auch zu schön, um schon zu enden.


Wir pflücken ein paar hübsche, rosa Disteln am Rande des Weges,
freuen uns, daß es schmerzt, und winken einem lustigen grauen Stein zu.




Es wird immer später. Nicht ohne Erstaunen stelle ich fest, mein Schatten wird immer länger.




Einige Wanderer sind schon zu Holzfiguren verzaubert. Man erkennt sie kaum wieder.
Mich gruselts. Ein hölnerner Nußknacker wär mir jetzt lieber.





In der Ferne liegt die Heimat und im Nahen färben sich die Blätter gelb vor Neid
und weil Herbst ist. Da kann man nix machen. Uns dürstet nach einem Kaffee und
einem fetten Sahnetörtchen. Vielleicht mit einer Erdbeere obendrauf und einer
Extraportion Sahne. Wir kommen ins Schwärmen und Frau K. ohne Hund dreht sich um
und fragt, ob sich noch ein Senfei bei den Lebensmittelvorräten im Rucksack befindet.



Nein, alle wech. Mit unseren Tränen fängt auch die Ilse, die Gebirgsbächin, an
zu rauschen. Naturverstärker pur. Wir heulen zu dritt um die Wette. Da wird
noch viel Wasser den Berg hinablaufen. Wir haben einfach zu nah am Wasser gebaut.
So stolpern wir weiter rückwärts und lassen immer mehr unwegsame Wanderstrecke vor uns,
äh also hinter uns. Das lässt zu wünschen übrig.



Endlich sind wir am Ziel. Halb fiel sie und halb sank sie hin - Frau K. ohne Hund
verschnauft sich vor dem HarzRock Cafe. Leider noch nicht offen. Wir kriegen
allmählich Kopfschmerzen.

Ich lege meine Füsse hoch und lasse auch sie
verschnaufen. Die Wanderschuhe wollen nicht mehr
weiter und versuchen einen kleinen Aufstand.
Der Aufstand wird von mir vereitelt, jedoch
kribbeln hernach meine Füsse. Mist!




Ich stelle an meinem rechten Echt-Extrem-Brocken-Wanderschuh fest, daß er
jetzt vorn rund und hinten rund ist. Uns siehe da, der linke auch. Damit gleicht
der Sohlenabdruck dem zugegebenermaßen seltenen kleinen weißen Harzelefanten -
einem der letzten großen Naturwunder keiner Zeit. Das dürfte zu Verwechslungen führen.
Wir machen uns schnell aus dem Staub - rückwärts natürlich

Die Füsse qualmen, spät in der Vorabendzeit brennt auch noch der Himmel.
Was für ein Tag ... rückwärts betrachtet!



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